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Wie wirkt Coaching? – Neues aus der Neurowissenschaft

Coaching wirkt. Das streitet niemand mehr ab und wurde durch zahllose Forschungen nachgewiesen. Nur WIE wirkt Coaching? und WARUM? Diesen Fragen hat sich der Neurowissenschaftler Gerhard Roth gewidmet. Gemeinsam mit Alica Ryba beleuchtet er in seinem neuesten Buch, was im Gehirn während eines Coachings passiert, welche Bedingungen günstig und welche Coaching-Verfahren besonders hilfreich sind.

Gibt es die richtige Methode im Coaching?

Methoden gibt es viele – im Coaching wie in der Psychotherapie. Die einen schwören auf die Tiefenpsychologie, andere bevorzugen etwa systemische, verhaltenstherapeutische oder hypnotherapeutische Verfahren. Wieder andere setzen vor allem auf Gesprächsmethoden zum Beispiel nach dem amerikanischen Psychologen Carl Rogers. Hinzu kommen etwa NLP, EMDR, wingwave® oder auch schamanisch-indianische Rituale.

Zwar kämpfen die Therapeuten nicht mehr so erbittert um die „richtige“ Methode, aber immer noch gibt es einige Verfechter ihrer Schulen, die sich ausschließlich von ihrem eigenen Verfahren Wirkung versprechen. Zu Unrecht, wie zahlreiche Studien belegen. Es sind ganz andere Faktoren, die dazu führen, ob eine Beratung, eine Therapie oder ein Coaching gelingen.

Wann ist Psychotherapie erfolgreich?

Der amerikanische Psychiater J.D. Frank hat in den 1980-Jahren vier Grundpfeiler für erfolgreiche Therapie ermittelt. Essentiell für die Wirkung sei die gute Beziehung von Mensch zu Mensch. Zusätzlich brauche es einen angenehmen Rahmen abseits des Alltags und das Vertrauen des Klienten in die Kompetenz des Beraters. Ansatz oder Methoden hielt er für weit weniger relevant. Wesentlicher sei, dass Coach oder Therapeut und die gewählten Methoden zum Klienten und seinem Anliegen passen.

Auch der Forscher und Psychotherapeut Klaus Grawe hat sich mit der Wirkung von Therapien beschäftigt und kommt zu den gleichen Ergebnissen. Den größten Einfluss auf den Erfolg einer Therapie habe die Bindung zwischen Klient und Berater, das Arbeitsbündnis also, die sogenannte „therapeutische Allianz“. Bis zu 70 % beträgt der Anteil auf den Erfolg, weiß man heute. Auch helfe es dem Klienten zu verstehen, woher sein Leiden und die Motive seines Handelns kommen und wie er mithilfe eines Therapeuten seine Kraftreserven mobilisieren kann.

Gilt das auch für das Coaching?

Klaus Grawes Theorien waren nicht nur wegweisend für therapeutische Konzepte, sondern ebenso für bedeutsam für die Entwicklung des professionellen Coachings. Denn die gewählten Methoden beider Verfahren kommen kommen fast immer aus den gleichen Schulen. Auch die Anliegen der Klienten sind oft viel ähnlicher, als man denkt. Lediglich Tiefe und Schwere des Problems machen den Unterschied. So gehört zum Beispiel eine nachgewiesene Störung mit Krankheitswert in die Hände eines Psychiaters, eines psychologischen Psychotherapeuten oder in die eines Heilpraktikers (Psychotherapie). Dazu gehören zum Beispiel Depressionen, Psychosen oder auch Persönlichkeitsstörungen, wie die Borderline-Störung.

Beziehung und Gefühl – Was macht beides so wichtig?

Mittlerweile gilt es auch aus neurowissenschaftlicher Sicht als sicher, dass auch Coaching umso erfolgreicher ist, je stimmiger die Bindung zwischen Coach und Klient ist und je tiefer und emotionaler die Gespräche verlaufen. Auch der Klient ist gefordert. Er muss sich einlassen auf den Coach und auf das Verfahren. Und er muss bereit sein, sein Problem zu benennen und zu reflektieren, sein Verhalten zu überprüfen, neue Fähigkeiten auszuprobieren und konsequent einzuüben. Setzt sich der Klient stattdessen nur kognitiv mit seinem Leiden oder seinem Problem auseinander, bleiben Lösungsversuche oft nur an der Oberfläche.

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Was passiert im Gehirn beim Coaching?

Gerhard Roth, Professor am Institut für Hirnforschung an der Uni Bremen, hat sich der Wirkung von Coaching aus neurowissenschaftlicher Sicht gewidmet. Wieso, fragte er sich, hat die Beziehung eine so herausragende Wirkung auf den Erfolg von Coaching und Therapie? Gibt es Grenzen, die Coaching aber auch Therapie unmöglich machen oder zumindest wesentlich erschweren? Was passiert im Hirn des Klienten, wenn die Beziehung stimmt und ein Coaching gelingt?

Die legale Glücksdroge

Nachweislich wird zum Beispiel das Bindungshormon Oxytocin ausgeschüttet. Sofort senkt es den Cortisolspiegel und erhöht gleichzeitig das Serotonin im Gehirn. Körpereigene Opioide werden freigesetzt. Legale Drogen sozusagen, die beruhigen, Stress abbauen und Ressourcen aktivieren.

Wirkt Coaching immer?

Meistens ja. Nur wenn die Startbedingungen eines Menschen ins Leben äußerst ungünstig sind, zum Beispiel eine positive Bindungserfahrung als Kleinkind fehlt oder ein Erlebnis in der frühesten Kindheit so einschneidend war, dass es sich fest in die Seele eingebrannt hat, dann wirken Coaching bzw. Therapiekonzepte manchmal nicht.

Die meisten Menschen verfügen über gute Ressourcen, um Krisen ohne Schaden zu überstehen. Oft reichen alleine die Zeit und bewährte Strategien, um Probleme zu bewältigen. Nur manchmal braucht man jemanden, der da ist, aufmerksam zuhört, nachfragt und hilft, Ressourcen wieder zu aktivieren. Dann hilft ein Coach.

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Zum Weiterlesen:
Coaching, Beratung und Gehirn
Gerhard Roth und Alica Ryba, Klett-Cotta 2016

LIES AUCH:  Coacht man Männer anders?

Von Männern, Mannsein und Männlichkeit. Von Themen, die Männer bewegen, von Krisen, Ausgebranntsein und existentiellen Fragen. Und von Antworten, die Männer im Coaching suchen. Ein Interview mit Katharina Bertulat.

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Kommentare ansehen (1)

  • Liebefrau Bertulat,
    Ganz herzlichen Dank für diesen absolut notwendigen und verständlichen Artikel!
    Wir wissen also nun alle, dass weder Coaching noch Psychotherapie Voodoo sind, sondern handfesten naturwissenschaftlichen Gesetzen folgen.
    Beste Grüße aus dem Rheinland
    Michael Steffens

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